Eröffnungsrede für die Ausstellung von Armin Kayser „Skulpturen“

im Studio Michael Royen am 16.Mai 2009

 

Skulpturen von Armin Kayser 

Bei der surrealistischen Skulptur – und bei den hier vorgestellten Skulpturen handelt es sich um Skulpturen in der Tradition des

Surrealimus, – fällt zunächst ein wesentlicher Unterschied zu der klassischen Tradition der Bildhauerei auf. Es liegt in der surrealistischen Skulptur etwas gänzlich anderes, das sich sämtlichen Traditionen der klassi­schen Bildhauerei entgegenstemmt.

Gestatten Sie mir dazu einige Be­merkungen, bevor ich auf die Arbeiten von Armin Kayser zurückkomme: Der Stein, der in der klassischen Bildhauerei als einGegenstand begrif­fen wurde, in dem die vorgestellte, beabsichtigte Skulptur gewissermaßen enthalten ist, - dieser Stein - wurde, in einer geradezu konzeptuellen Entscheidung, ausgesucht und vorbestimmt. Zu einem einzigen Zweck: Die in ihn hineinprojizierte

Skulptur musste nach der Vorstellung des Bildhauers auch ausreichend Platz in dem ausgesuchten Stein finden. Das hört sich einfach an, damit war aber der künstlerische Anteil bereits entschieden und auch geleistet. Selbstverständlich wurden die Steine dezidiert nach

den Wünschen des Künstlers (auch der Auftraggeber redete da gerne ein Wörtchen mit) im Steinbruch gebrochen. Dennoch stellt der Stein sich in den meisten Fällen als ein Stück Natur dar, mit dem man umzugehen nur dann in der Lage war, wenn

man auf ein profundes Wissen über den Stein zurückgreifen konnte. Die Arbeit im Weiteren bestand nun darin, die in ihn

hineinprojizierte Skulptur freizulegen. Dazu bedurfte es eines handwerklichen Könnens von außerordentlicher Perfektion, großer körperlicher Anstrengung, bei gleichzeitig größtmöglicher Sensibilität.

Etwas Entscheidendes aber bleibt festzuhalten: Der Realisierung der Skulptur war die künstlerische Entscheidung vorausgegangen.

Erst dann konnte der Stein in Arbeit genommen werden. In dem Stein ruhte bereits die Skulptur. Er sollte nur das preisgeben, was man in ihn

hineingedacht hatte.

Im Unterschied zur Plastik, in der, der Künstler eine aufbauende Figur modelliert, beispielsweise Ton an ein Drahtgerüst knetet, ist

die Skulptur des Steinbildhauers nicht eine zu findende Formulierung, sondern eine bereits bestimmte und eindeutige Vorstellung von dem was da aus dem Stein hervor treten soll. Verzeihen Sie meine Ausdrücklichkeit; aber lassen Sie es mich anders formulieren: Durch die Arbeit des Steinbildhauers tritt die Skulptur aus dem Verborgenem ins Unverborgene hervor. Der Bildhauer bringt die Skulptur aus dem Stein hervor. Die Skulptur tritt in Erscheinung. Der Bildhauer sah traditionell in dem Stein seine Absicht verborgen. Wir alle können uns gut vorstellen, dass es einiger Kunstfertigkeit bedarf nun die störenden Steinanteile zu entfernen.

Das Werk freizulegen ist ohne Zweifel eine große Anstrengung, wenn­gleich niemand dem Irrtum länger aufsitzen sollte, nun anzunehmen, dies sei schon die eigentliche künstlerische Arbeit. Das ist sie nicht!

Auch wenn die Arbeit am Stein große Anteile künstlerischer Anstrengung enthält. Diese Anstrengung ist der arbeitsame handwerkliche Teil, der zu be­werkstelligen ohne Zweifel Geschick und Kraft, Vorstellungsvermö­gen und Umsicht erfordert. Selbstverständlich braucht der

Bildhauer Gefühl für das Material, Kenntnis über das Gestein. Das alles erfordert viel Er­fahrung. Es ist auch ein mit Ehrgeiz betriebenes Kunsthandwerk. Gehen Sie mal nach Italien und besuchen Sie die Marmorwerkstätten der Bildhauer von Carrara. Da sind erstklassige Steinbildhauer von großer Kunstfertigkeit anzutreffen. Kopisten,  die alles in Stein klopfen können.

Die künstlerische Arbeit aber ist in der Vorentscheidung bereits gefallen. Diese Vorentscheidung ist auch deshalb so wichtig, weil ich auf halber Strecke nicht etwas anderes aus dem Stein herausholen kann. Wesentlich aber ist, dass das, was die Sache zum Kunstwerk

macht, im Vorfeld passiert ist, auch in der Ausführung, Aber da ist es eine technische und detailbestimmte Bearbeitung, die bestenfalls unter dem Stichel des Künstlers selbst eine Bearbeitung findet .....  

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......Sie mögen sich fragen, wie ich jetzt noch den Weg zu diesen hier ausge­stellten Skulpturen finden will. Der Unterschied zwischen dem konzeptuellen Vorgehen der Künstler der Bildhauerei, nämlich die Absicht, eine in den Stein projizierte Figur vorzustellen und im weiteren aus dem Stein hervorzubringen, diesem Vorgang ist die surrealistische Skulptur durchaus entgegengesetzt.

Der Surrealismus setzt auf das Unbewusste. In der Erarbeitung dieses Unbewussten dachten die daran interessierten Künstlern über

Methoden nach, wie – sozusagen en passant – das Unbewusste nach oben zu holen wäre. Es sollte in den ungekannten Ebenen des Ich das Geheimnis der Struktur unserer Persönlichkeit, unserer heimlichen oder wirklichen Wünsche hervorzubringen sein. Dazu bedurfte es feinsinniger Methoden. Es galt die Ratio des Konzeptualisten zu überwinden und sich gewissermaßen seinem Tun zu überlassen. Dabei wurde der künstlerische Anteil mit der handwerklichen Erstellung – traditionell die Steinklopferei – der Skulptur verschmolzen. Hier ist das künstlerische Arbeiten ein Suchen in dem Erfahrungsprozess des Erstellens von Skulp­tur. Dieser Prozess wird als eine Suche nach Formen erlebt. In diesem Erleben von Formerstellung beginnt sich die in uns verborgene Obses­sion sich zu offenbaren. Ihr gilt das Interesse des

Bildhauers. Er muss sich dieser Obsession überantworten. So kommt er zu Formen, die er vorher gar nicht kennen konnte. Es sind ihm selbst neue Formulierungen eines in ihm wohnenden unbewussten Emp­findungshorizonts. Diese unbewussten Empfindungen sind getragen von einer möglicherweise verborgenen sexuellen Komponente. Das soll durchaus in den Skulptu­ren zum Ausdruck kommen. Wir sehen

in den Skulpturen von Jean Arp, den man in dem nahegelegenen Museum Bahnhof Rolandseck studieren kann, eine Menge von Hinweisen darauf. Jedem Interessierten sei es aber angeraten nach Locarno zu fahren und dort den Skulpturengarten von Jean Arp zu studieren.

Nun darf man nicht meinen, dass die Formulierung innerer Obsessio­nen eine Privat-Angelegenheit sei, mit der wir nichts zu tun hätten.

So einfach sollte man es sich nicht machen In der Entwicklung der Kunst der Moderne blieb es dem Surrealismus vorbehalten, den inneren Teil menschlichen Daseins, das sogenannte Unbewusste, zu artikulieren. (Man darf sagen, dass es Heutzutage ja kein Unbewusstes mehr ist, vielmehr scheint unser Bewusstsein bloß noch eine durchsichtige Folie zu sein, durch die jeder zweitrangige Amateurpsychologe

unsere wahren Ambitionen erkennt: alá „Der redet so ge­schwollen, weil er seine Angebetete ja doch nur ins Bett kriegen will“.

Es oblag den Künstlern (wie so oft) für die Darstellung gesellschaftlicher Phänomene eine Form zu finden. Auch für die

unbewussten Anteile der eigenen Person eine Form, eine Formulierung zu finden, war eine Ambition der Künstler. Darüber hinaus aber wollten sie durch die Methode der Arbeit diese unbewussten Anteile der Person zutage fördern. Durch die Formulierung ungekannter Traumwelten und unbewusster, verborgener Sexualität, gelang es den Künstlern, sich mit der ihnen innewohnenden geheimnisvollen

Welt vertraut zu machen und sie durch ihre Arbeiten zum Ausdruck zu bringen. Dem Vorgang des Suchens und des Findens

sollte eine automatische Methode zugrunde liegen. Diese, so spekulierten die Künstler, sollte da­für sorgen, dass sozusagen unverhofft ein Weg für das Unbewusste, was ja an die Oberfläche geholt werden sollte, frei würde, dass heißt: Von Einflüssen, Absichten und Ambitionen des Autors unbeeinflusst, zur Erscheinung käme. Gewissermaßen dem Künstler selbst eine Offenbarung. Das Ergebnis ist nach üblichen Beurteilungsschemata nicht zu bestimmen. Eine Art Protokoll des Abtauchens, in eine verborgene Welt.

Wir wissen Heute was der Neugierde auch zugrunde lag; Es war die Lust, sich dem Machen zu überlassen, dem, was einen unmittelbar bewegt, interessiert. Ob es wirklich das Bergwerk der Er­kenntnisse war, darf man bezweifeln. Sich in den Stein hineinzuarbeiten, ohne vorhersa­gen zu können, was dann daraus wird, ist eine Befreiung für den Steinbildhauer, die er vielleicht der surrealistischen Methode verdankt. 

Armin Kayser hat, und das darf ich, glaube ich, behaupten, da ich ihn schon sehr lange kenne, eine nicht zu stillende Neugierde und ein unentwegtes Interesse an den Prozessen der Kunst der Moderne gehabt. Das kann dazu führen, dass es damit nicht getan

ist. Man muss selber Hand anlegen, man muss ein Empfinden für das Phänomen entwickeln, man muss es selber machen, um zu verstehen.

Man eignet sich durch Nachvollziehen das Verständnis an. Und unversehens ist aus der Aneignung eine Ambition anderer Art geworden.

Armin Kayser will zeigen, wie man auf dem Weg des Hineinfühlens zu einer Formulierung kommt. Wie das aussehen sollte, was man

da vor sich entstehen sieht. Und bei dieser Anstren­gung gerät man in den glei­chen Strudel, den die Vorreiter seiner Auffas­sung von Bildhauerei auch erlebt haben mögen. Diese Anstrengung, der Ehrgeiz, die Beharrlichkeit, ja die Begeisterung, die dazu führt, dass man erkennt, dass der Stein zu etwas geworden ist, dem man sich unterwirft, dem man versucht gerecht zu werden und in gewisser Weise der

Stein den Künstler zum Diener macht, zum Diener an einer bereits Gestalt gewordenen Figur, die von sich aus zu befehlen scheint: Mach mich nicht kaputt, sieh zu, dass der einmal eingeschlagene Weg seine endgültige Form bekommt.

Diese seine Auseinandersetzung mit dem aus dem Stein hervortretende Skulptur und die Lust von Armin Kayser, sich damit auseinander zusetzen können Sie hier studieren. Se­hen Sie sich den „Moonstruck“ von Armin Kayser an und Sie werden sehen, dass es ihm gelingt zu überzeugen, auch wenn man nicht auf An­hieb erkennt was es ist, so nimmt jede Skulptur bei genauerem Hinsehen an Spannung

zu.

 Michael Royen 16.5.2009